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Definition von 'Architektur'
und Theoriebildung
Während Architektur im allerweitesten
Sinne als Bauen jeglicher Art verstanden wird, ist die genauere
Definition von Architektur insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts
umstritten. Entsprechend können die meisten Definitionsversuche
nur im Kontext bestimmter Debatten um Inhalt, Aufgabe und Bedeutung
von Architektur verständlich werden, wobei
auch das jeweilige zeitgenössische Bauen mit seinen ästhetischen,
technischen, ökonomischen und politischen Implikationen in
Betracht zu ziehen ist. So scheint es - etwa ähnlich wie beim
Begriff des Kunstwerkes - nicht möglich, sich beim Architekturbegriff
auf die bloße Beschreibung eines Wortes oder einer Sache zu
beschränken. Jede differenziertere Begriffsbestimmung erweist
sich bei näherer Betrachtung als ein Ringen um Definitionshoheit
und Geltungsmacht (siehe hierzu die Schriften des französischen
Philosophen Michel Foucault). In diesem Fall darüber, wie Etwas
beschaffen sein soll, damit es als „Architektur“
bezeichnet werden darf oder kann, insbesondere soweit es sich hier
durch zu bestimmende Codierungen um Dinge von „erhöhtem“
Wert und „erhöhter“ Bedeutung handeln soll. Aufgrund
des so implizierten normativen Aspektes bleibt jede inhaltliche
Bestimmung von Architektur kontrovers und ist im Kern ideologisch
geprägt. Jeder (inhaltliche) Definitionsversuch - soweit er
eine Reflexion enthält - ist bereits Architekturtheorie.
Eine der einflussreichsten (und stark ideologisch
geprägten) Diskurse darüber, was Architektur eigentlich
sei, mithin was Aufgabe des Architekten zu sein habe, ist die Unterscheidung
von „Architektur“ und „bloßen Bauen“.
Mit dieser Gegenüberstellung soll Architektur anhand einer
besonderen gestalterischen Qualität vom einfach nur Nützlichen
oder Notdürftigen unterschieden werden und führt zu der
Frage, ob und wodurch Architektur sich auszeichne oder gar zur Baukunst
werde (siehe dazu auch Ästhetik). Dabei hat sich die herrschende
Auffassung dessen, was bei Entwurf und Herstellung eines Bauwerkes
die konstitutiv architektonische Leistung sei und damit das Bauwerk
über das rein Zweckhafte hinaus zu einem ein Werk der Architektur
erhebe, im Laufe des vergangenen Jahrhunderts erheblich gewandelt:
War es bis Ende des 19. Jahrhundert vor allem die Verwendung bestimmter
überlieferter Bauformen - der sog. Stil - mit meist reichen
ornamentalen Ausschmückungen, in denen sich der künstlerische
Rang als Mehrwert und Schönheit eines Bauwerkes in bewusster
Opposition zu einer Sphäre purer Pragmatik manifestierte, so
gelangte mit dem sog. Funktionalismus des 20. Jahrhunderts ein Begriff
von Architektur zur Herrschaft, der auf den ersten Blick nur zweckhaft
bedingte Gebäude (auch Ingenieurkonstruktionen) als Architektur
verstanden wissen wollte. Dabei wurden insbesondere die konstruktiven,
proportionsgebenden und raumbildenden Aspekte des Bauens zum eigentlichen
gestalterischen Thema von Architektur erklärt. Mitunter hat
man auch die geringfügigsten ordnungsgebenden gestalterischen
Minimalinterventionen im Rahmen funktionalistischer Planungen in
den Rang einer (bau-)künstlerischen Leistung erhoben. Zugleich
wurde dabei mit zahlreichen Proklamationen zur „Modernität“,
„Fortschrittlichkeit“ und dem „Ausdruck unserer
Zeit“ eine große symbolische Überhöhung oder
Verklärung der funktionalistischen Architektur angestrebt.
Nach einer Reihe von Revisionsversuchen dieser
Architekturauffassung in der sog. Postmoderne und dem sog. Dekonstruktivismus
erlangte im Rahmen eines wiederauflebenden funktionalistischen Architekturverständnisses
die Frage nach dem Vorrang und der Bedeutung der Konstruktion in
der Architektur im Verhältnis zu ihren formalkünstlerischen
Aspekten inzwischen wieder erneute Aktualität. (Siehe dazu:
Technizismus, Architektur ohne Architekten)
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